„Ich gehe da nicht hin.“ „Wieso nicht?“ „Weil ich kein Türschild töpfern möchte.“ „Kannst ja auch was anderes machen.“ „Ich möchte grundsätzlich nicht töpfern.“ „Ich habe aber schon bezahlt.“ „Dann nimm’ jemand anderen mit.“ „Will ich aber nicht.“


Angewidert starrte Arno auf den schmierigen Klumpen Ton vor sich. Vorsichtig bohrte er einen Finger hinein und versuchte dann schnell, das Loch wieder zu verschließen. Helene erging es nicht besser, wie er befriedigt feststellte.

Die Töpferlehrerin in Form von Astrid Schäufele schwebte heran. „Familie Tiedemann! Ich find’s toll, dass ihr mitmacht, so einträchtig. Schön, dass ihr eure Konflikte beilegen konntet… Die Gewaltfreie Kommunikation rettet sogar die kaputtesten Ehen, gell?!“ Dass es im Allgemeinen kein gutes Zeichen ist, wenn jeder Ehepartner sein eigenes Türschild töpfert, schien der Pastorin nicht aufzufallen. Auch die giftigen Blicke, die sich Arno und Helene von Zeit zu Zeit zuwarfen, ignorierte sie beharrlich.

Arno drückte seinen Tonklumpen flach und kritzelte „TIEDEMANN“ hinein. Es sah aus, als hätte er einen Kuhfladen signiert. „Fertig.“ Astrid kam angeschossen und lobte Arnos Werk überschwänglich.

„Verlogenes Biest“, zischte Arno, als sie wieder außer Reichweite war. „Arno!“ „Ist doch wahr. Die ist einfach nur froh, wenn wir hier weg sind und sie das Geld einstreichen kann.“ „Das ist für die Kirche!“, fauchte Helene und drosch auf ihren Ton ein. „Das glaubst du doch selbst nicht!“ Arno lachte böse. „Weißt du noch damals, als Thorsten die Kerzen auf seinem Geburtstagskuchen nicht auspusten wollte und stattdessen die Luftschlangen in Brand gesetzt hat?“ Helene erinnerte sich. Der Tisch war ruiniert und sie hatten neu tapezieren müssen. „Brauchten wir da auch 45.000 Euro?“ „Nein, das hat doch die Versicherung bezahlt.“ Helene stockte. Konnte es sein, dass Astrid die Gemeinde derartig über den Tisch zog? Warum? Oder wofür? Versunken starrte sie auf ihre Tonscheibe, in die sie mit Buchstaben-Stempeln eingeprägt hatte: „HIER WOHNEN: ARNO, HELENE“. Sie starrte auf ihr Werk. Es war falsch. Sie konnte nicht „Tiedemann“ drunter schreiben. Und sie konnte auch nicht „und Thorsten“ ergänzen, denn er wohnte nicht „HIER“. Helene saß ganz still. Ihre Ohren verfärbten sich zu einem kräftigen Pink. Arno sah sie, verstand. Dann zupfte er zwei Tonstücke aus seinem eigenen Türschild, rollte sie zu Stäbchen und legte sie kreuzförmig übereinander. Behutsam rieb er das Komma zwischen „Arno“ und „Helene“ weg und legte sein kleines „+“ auf die Leerstelle. Er nahm Helenes Hand. „Komm. Wir gehen.“


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