Arno hatte sich in sein Büro verkrochen. Alles ging zu schnell. Er öffnete die Schreibtischschublade, um Stift und Papier zu suchen. Leer. Arno ging in die Küche, wo Helene Kartoffeln in schmale Scheiben schnitt. „Hallo.“ Etwas verschämt nahm er sich einen Bleistift und schlich zurück nach oben. Er nahm ein Blatt aus dem Drucker und begann zu schreiben: Was ich als Vater gut gemacht habe / Was ich als Vater falsch gemacht habe. Dann strich er alles durch, holte ein neues Papier: Was ich als Vater gut gemacht habe / Was ich als Vater falsch gemacht habe / Was wahrscheinlich ein Fehler war. Er schrieb lange. Zwischendurch lief er auf und ab und versuchte zu rekonstruieren, welche Ordner an den jetzt leeren Stellen im Regal gestanden hatten.
Am Ende hatte er 37 Punkte aufgelistet – 25 davon in der Spalte: „Was wahrscheinlich ein Fehler war“.
- Ich habe viel gearbeitet.
- Ich habe Thorsten selten im Kinderwagen geschoben.
- Ich habe mich aus vielen Themen herausgehalten.
- Ich habe Thorstens Aufwachsen nicht hinreichend dokumentiert.
- Ich habe Thorsten zu oft bei den Hausaufgaben geholfen.
- Ich habe zu sehr auf Ordnung im Haus bestanden.
- Ich habe Thorsten nicht beim Fußball angemeldet, als es wollte, weil mir die Verletzungsgefahr zu groß schien.
- Wir haben uns nicht getraut, weitere Kinder zu bekommen.
- Ich wollte alle Probleme von Helene fernhalten.
- …
Er las die Liste und ergänzte: Ich habe zu spät erkannt, dass wir Hilfe brauchen.
„Wann gibt es Essen?“ hörte er Thorsten aus dem Wohnzimmer rufen. Helene antwortete irgendetwas. Es hatte mit einem Joint angefangen. Arno erinnerte sich genau an diesen Abend. Er hatte seinen Sohn von einer Party abgeholt und es sofort gerochen. Schweigend hatten sie im dunklen Auto gesessen. Jeder von ihnen hatte darauf gewartet, dass der andere reagieren würde, irgendwie. Dann waren sie schon zuhause angekommen. In den Jahren darauf folgten die Anrufe der Lehrer, später der Polizei. Kokain und noch schlimmere Sachen. Arno hatte sich gekümmert. Helene durchlief gerade die zweite Chemotherapie. Sie hätte es nicht verkraftet. Oder vielleicht doch.
Arno ging zum Mittagessen. Er freute sich, als er drei Teller auf dem Tisch stehen sah. Thorsten stellte Gläser auf den Tisch, Helene die Untersetzer. „Ich hole Sprudelwasser“, murmelte Arno. Er tappte durch den Flur, vorbei an Helm und Lederjacke. Ein zartes Summen verriet, dass ein Handy in der Außentasche steckte. Arno konnte nicht anders. Mit einer unendlich vorsichtigen, langsamen Handbewegung öffnete er den Druckknopf und zog er das Handy aus der Jacke. Schwarzgewimperte Augen huschten über das noch leuchtende Display. Schlossen sich lange. Dann steckte Arno das Handy ebenso sanft in die Tasche zurück. Er hatte zuerst Helene geliebt. Bis heute hatte sich nichts daran geändert.
Arno konnte nicht anders. Mit einer unendlich vorsichtigen, langsamen Handbewegung öffnete er den Druckknopf und zog er das Handy aus der Jacke.
Lisa: „Hast du das Geld?“ Thorsten: „Dauert noch. Ist in Arbeit ?“ Lisa: "Ok wenn du sie soweit hast dann besorgen wir uns was und dann feiern wir." ?? ?“