Drei unerwartete Lektionen aus vier Kinderkrankentagen

Kinderkrankentage im Praxistest: Wir haben vier Tage lang die Rollen getauscht: Mein Mann hat die Familienarbeit gemacht während ich am Laptop arbeiten durfte. Das haben wir dabei gelernt:

Kinderkrankentage und Kinderkrankengeld für Papa. Homeoffice für Mama

Kinderkrankentage – klingt schrecklich, ist aber ein Geschenk. Denn es handelt sich um Tage, die Eltern sich frei nehmen können. Naja, immerhin frei von ihrer Berufstätigkeit. Und zwar auch dann, wenn das Kind gar nicht krank ist. Im Jahr 2021 dürfen Familien auf diese Tage zugreifen, wenn zum Beispiel die Kita oder Schule aufgrund einer grassierenden Pandemie geschlossen hat. (Eine Situation, die manchen Menschen bekannt vorkommen dürfte.) Geld gibt es an den Kinderkrankentagen trotzdem: Das „Kinderkrankengeld“ beträgt 90 Prozent des normalen Nettogehalts. Bis zu 45 solcher Tage darf jedes Elternteil von Familien mit mehreren Kindern 2021 nehmen.

Wir waren nach Wochen der Kita-Schließung an einem Punkt angekommen, an dem ich nicht mehr konnte. (Darüber, wie es dazu kam, berichte ich auch in diesem Artikel). Als sich mein Mann entschloss, pro Woche zwei Kinderkrankentage zu nehmen, war meine Erleichterung riesig.

Rollentausch: Vier Tage mal ganz anders leben

Donnerstags und freitags haben wir die Rollen getauscht: Mein Mann hat die Kinder versorgt, geputzt, gewaschen und eingekauft, während ich im Arbeitszimmer am PC saß. Nur die Versorgung des Babys (sprich: stillen, kuscheln, füttern) lag weiterhin bei mir. Und beim Kochen habe ich geholfen, weil es meinen Liebsten gestresst hat.

Wir haben letztlich nur vier dieser Tage “verbraucht” bis die Kita wieder geöffnet hat. Und dabei sehr viel gelernt. Hier kommen meine drei Lektionen aus vier Kinderkrankentagen!

1) Alles eine Frage der Technik

„Jetzt wo ich so häufig koche“, sprach mein Mann, während er an Tag eins die Tiefkühlfritten auf das Backblech kippte, „sollten wir über die Anschaffung einer Multifunktions-Mikrowelle nachdenken.“

Oha. Ich hatte mich bislang dagegen gesträubt, ganz einfach, weil ich sowas nicht brauche. Mittlerweile sehe ich: Der Haushalt muss für uns beide funktionieren. Und für meinen Mann gehört Technik dazu.

Je mehr ich in den vergangenen Jahren darauf drängte, dass mein Mann sich an der Hausarbeit beteiligt, desto mehr Geräte sind in unser Haus gezogen. Der Saugroboter. Die Alexa (wir diktieren ihr unsere Einkaufsliste und das ist wirklich praktisch!). Der high-end-Kühlschrank mit Fleisch-Frisch-Zone (ich ernähre mich überwiegend vegetarisch). Und jetzt die Multifunktionsmikrowelle.

Klar: Diese Geräte erleichtern uns das Leben schon. Wichtiger aber scheint mir ihre Signalwirkung. Solange der Haushalt auf meine Bedürfnisse hin optimiert war, hatte mein Mann hier wenig zu melden. Und auch keine Chance, hier zu punkten. Verständlich, dass er sich… zurück gehalten hat. Sind aber technische Geräte involviert (sie sollten möglichst aus Edelstahl sein und maximal viele Knöpfe und Regler haben) fühlt mein Gatte sich zuständig und kompetent. Ideal wäre es, wenn diese Geräte so schwer wären, dass eine Frau sie gar nicht erst bedienen kann. Kleiner Tipp an die Hersteller.

Also: Klar Schatz. Du kriegst deine Mikrowelle. Und das zugehörige Kochbuch gleich dazu.

2) Und täglich grüßt das schlechte Gewissen

Ich sitze am Rechner und probiere Schriften für ein Logo aus. Fokussiert, begeistert, herausgefordert. Mein Mann füttert in der Küche den Kleinen, ich höre es prusten. „Och nöö… die Hose war gerade frisch gewaschen!“. Die Waschmaschine erinnert mit einem sonoren Piepen daran, dass sie bitte geleert werden möchte. Von oben höre ich meine Mittlere lautstark rufen: „Paaapaaa…! Du sollst mich abputzen!!“. Die Große quengelt einen Halbton höher: „Papa, wann basteln wir endlich?“ Sollte ich hingehen und kurz helfen? Oder die Zeit nutzen, um mein Projekt fertigzustellen?

Situationen wie diese sind einfach aufreibend. Und normal im Leben mit Kindern. Abends beim Abendbrot ist mein Mann wortkarg und erschöpft. Ich fühle mich schuldig. Zwar hatten wir es genauso abgesprochen, doch es ist schwer mitanzusehen, wie abgetragen er wirkt. Ich schlage ein gemütliches Abendprogramm vor. Er will einfach alleine sein, eine Serie gucken und Cola trinken. Wir gehen zu unterschiedlichen Zeiten ins Bett, ohne miteinander zu reden.

Eine unglaublich wichtige Erfahrung für uns beide. So geht es ihm also, wenn ich abends todmüde und irgendwie sauer bin, weil alles zu viel war. So geht es mir, wenn er abends müde, aber mit schlechtem Gewissen aus dem Arbeitszimmer kommt. Am nächsten Tag kommen wir ganz neu ins Gespräch darüber, welchen Herausforderungen wir so im Alltag begegnen. Und wir realisieren, dass es unsere gemeinsame Aufgabe ist, das Leben so zu gestalten, dass keiner ausbrennt und keiner sich ständig schuldig fühlen muss. Indem wir klare Absprachen treffen, diese nachjustieren und um Hilfe bitten, wenn es dran ist. Ein Prozess, der sich lohnt!

3) Kindererziehung? Ganz klar Fra…, neee ELTERNSACHE!

Für meinen Mann und mich war immer klar, dass wir die Kinder gemeinsam erziehen, prägen, versorgen wollen. Dass das eben keine Frauensache ist. Sondern Elternsache. Als dann die Kinder da waren, ging ich in Elternzeit, mein Mann ins Büro. Plötzlich Hausfrau, aus meinem Leben katapultiert, entschleunigt, unterfordert und überlastet zugleich mit einem sehr anspruchsvollen ersten Kind, begann ich, Unmengen Erziehungsratgeber zu lesen (auch einige sehr gute, dazu folgt ein Beitrag!). Ich habe Eltern-Kind-Angebote besucht, mich mit anderen Eltern ausgetauscht, gegoogelt, Fach- und Erfahrungswissen aufgebaut, während mein Liebster das Geld verdiente. Man könnte meinen, ich wäre in Erziehungsfragen klar im Vorsprung. Aber so läuft’s nicht.

Als ich an Tag drei beginnen wollte, den Tisch nach dem Essen abzuräumen (alte Gewohnheit), brüllten meine Kinder: „NEEEIN! Das machen wir!“. Krass! Wie lange habe ich mir das gewünscht? Was war geschehen? Mein Mann, ein Mathematiker, liebt Regeln. Und er ist ein unglaublich stetiger, geduldiger aber auch hartnäckiger Mensch. Perfekte Voraussetzungen, um mit den Kindern neue Gewohnheiten zu etablieren. Er hat ein Belohnungssystem entwickelt und die Kinder konsequent und liebevoll ermutigt, sich beim Tischabräumen auszuprobieren. Meine Kinder (vor allem das große, regeltreue) wirken an den Papa-Tagen oft selbstbewusster und entschlossener. Es tut ihnen einfach gut, Zeit mit jemandem zu verbringen, der genauso tickt wie sie. Feste Abläufe und ein klares Regelwerk geben ihnen Sicherheit.

Einmal mehr merke ich: Die Papas sind in der Familie unglaublich wichtig. Gar nicht unbedingt, weil sie Männer sind. Sondern weil sie eigentlich immer ein bisschen anders sind als wir; weil sie andere Eigenschaften und Stärken einbringen – das hilft bei der Kindererziehung ungemein.

Mein Fazit aus vier Kinderkrankentagen? Ich will mehr!

Mein Fazit aus vier Kinderkrankentagen: Uns geht es besser! Wir sehen unsere jeweiligen Herausforderungen mit anderen Augen. Es ist von so wichtig, dass wir über Erwartungen und Aufteilungen reden, sodass keiner das Gefühl hat, immer zurückstecken zu müssen. Und keiner sich ständig schuldig fühlen muss.

Das ist leider noch ziemlich unkonkretes Rumgelaber. Denn ich sehe auch, dass ich schlecht von meinem Mann erwarten kann, dass er neben seiner Vollzeitstelle auch noch 50 Prozent der Hausarbeit macht. Aber das ist ein anderes Kapitel. Dieser Beitrag ist eh schon wieder viel zu lang…


Viele weitere Informationen dazu, wer Kinderkrankengeld beantragen kann und wie es funktioniert, findet ihr auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums.

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„Normalsein ist langweilig”: Jörns Weg von der Führungskraft zum Hausmann

„Jörn ruft gleich zurück, er kocht gerade noch.“ Mein erstes Interview startet ungewöhnlich – vor allem, wenn man bedenkt, dass es 8.45 Uhr am Morgen ist und dass mein Interviewpartner bis vor nicht allzu langer Zeit als Führungskraft im Investmentbanking gearbeitet hat. Ungewöhnlich ist auch das Modell, das Jörn (51) und Heidrun (42) leben. Sie haben gespart, bis sie es finanzieren konnten, dass er, der bisherige Hauptverdiener, als Hausmann die vierköpfige Familie versorgt – während sie als Intensiv-Krankenschwester Covid-19-Patienten pflegt.

Jörn, du hast Physik studiert und bei einer großen Bank Karriere gemacht. Wie bist du darauf gekommen, auszusteigen?

Die Idee entstand in einer Kneipe – und es gab sie schon, bevor ich Heidrun kennen gelernt habe. Ich habe damals sehr viel gearbeitet, locker 60-70 Stunden in der Woche. Die Überstunden wurden bezahlt. Ein Kollege und ich haben aus Spaß ausgerechnet, dass wir mit 45 genug verdient haben würden, um bei einem einigermaßen sparsamen Lebensstil nicht mehr arbeiten zu müssen. Dass ich Hausmann werden würde, konnte ich damals noch nicht ahnen.

Wie kam es denn dazu?

Das hat mit einem Experiment begonnen. In den ersten Jahren nach der Geburt unserer Kinder war Heidrun zuhause und hat den Haushalt geschmissen. Aber ihr ging es damit nicht gut. Da habe ich mir zwei Wochen Urlaub genommen und alle Tätigkeiten erledigt, die sie sonst tut.

Um sie zu entlasten?

Nein, um zu ermitteln, ob mich die Hausarbeit genauso belastet.

Und, hat es?

Nein! Mich kotzt es zumindest weniger an als Heidrun. Ich liebe es, mir meine Zeit selbst einteilen zu können. Und ich genieße die Zeit mit meinen Kindern. In diesem Experiment zeichnete sich ab, dass ich mittelfristig die Familienarbeit machen würde und Heidrun in ihren Beruf zurückgeht. In einem ersten Schritt habe ich meine Arbeitszeit auf 80% reduziert.

Das war 2012. Das war damals (und auch heute) doch sicherlich ein ungewöhnlicher Schritt für eine Führungskraft. Was hat dein Chef gesagt?

„Nein!“ (lacht). Aber dabei muss man es ja nicht belassen. Ich wusste: Wenn er dazu „Nein“ sagt, sagt er „Ja“ zu etwas anderem. Und ich musste herausfinden, wozu. Wir konnten dann klären, dass er hauptsächlich fürchtete, dass ich keine Zeit mehr für die Mitarbeiter meines Teams habe. Also sagte ich zu, mein Handy an meinem freien Tag anzulassen.

Und das hat geklappt?
Sehr gut sogar. Ich habe meine Zeit gemanagt und mich bei Smalltalk, Pausen und Messebesuchen zurückgehalten. Damit kam ich stundenmäßig gut hin und habe meine Arbeit trotzdem geschafft. Mein Chef war zunächst nicht überzeugt, hat seine Haltung aber später geändert.

Aber die Teilzeit war nur Schritt eins auf dem Weg zu eurem Wunschmodell.

Richtig. Ich hatte unseren finanziellen Bedarf beobachtet und damit errechnet, wie viel Geld wir bis zu unserem 87 Lebensjahr brauchen würden. Mein Ziel war es, zu sparen, bis wir es uns leisten können, dass ich zuhause bleibe während Heidrun in Teilzeit arbeitet.

Wie das?

Wir kaufen vieles gebraucht, zum Beispiel über Kleinanzeigen. Wir haben kein Haus gekauft und nie ein neues Auto gefahren. Manche Leute sagen: „Ihr lebt sehr sparsam“. Aber ich sage: Wir leben achtsam. Dafür haben wir Zeit für die Dinge, die uns wichtig sind.

Wie sehen eure Kinder diesen Lebensstil?

Als meine Tochter neun war, wollte sie unbedingt ein Tablet haben, weil ihre Freundinnen auch eins hatten. Ich habe sie gefragt, ob die Papas ihrer Freundinnen denn abends am gemeinsamen Abendessen teilnähmen. Sie kam ganz aufgewühlt am nächsten Tag aus der Schule und berichtete, dass die anderen Väter nur am Wochenende Zeit mit ihren Kindern verbringen. Ich habe sie gefragt, ob sie lieber ein Tablet haben möchte oder lieber einen Papa, der Zeit für sie hat. Da hat sie ohne zu zögern den Papa gewählt. Puh! (lacht).

Und irgendwann wart ihr am Ziel.

Fast. Ende 2018 hatte ich nach einer Umstrukturierung die Chance, mit einer Abfindung die Bank zu verlassen. Da waren wir noch nicht an unserem Sparziel angekommen. Ich habe nochmals gerechnet und entschieden: Ich mache das jetzt. Heidrun hat zunächst großen Druck empfunden, aber wir merkten irgendwann, dass es funktioniert. Jetzt arbeitet sie mit einer 80% Stelle. Mit diesem Modell geht es uns beiden gut.

Wie hat euer Umfeld darauf reagiert, dass du jetzt Hausmann bist und Heidrun berufstätig ist?

Die meisten total positiv. Für meinen Vater war es zunächst schwer, unser Modell zu akzeptieren. Für ihn war ich damit ein Sozialschmarotzer. Natürlich ist das Konzept ungewöhnlich. Aber normal sein ist auch langweilig! Aus meiner Zeit im Investmentbanking weiß ich: Wenn man nur das tut, was alle machen, ist man eben nur durchschnittlich.

Was ist dein Tipp an Väter, die gern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen möchten?

Erstens: Es lohnt sich, mit den Chefs offen zu sprechen und auch seine Position zu verstehen. Zweitens rate ich Familien, einfach mal ein Experiment zu starten, um auszuprobieren, ob eine andere Aufgabenverteilung besser zu den Bedürfnissen der Familie passt.

Was meinst du, was sind heute die zwei Fragen einer Frau?
Hm. Schwierig. Das hängt sicherlich auf von der Lebensphase ab. Ich glaube, das Thema „Wie vereinbare ich Familie und Beruf“ ist wichtig. Und die Frage „Wie finde ich Gehör für meine Bedürfnisse, bzw. wie setze ich sie durch?“. Ich glaube, viele Frauen treten noch nicht stark genug für das ein, was sie wirklich wollen. Das sieht man ja an der Ungleichverteilung der Gehälter.

Vielen Dank für das Gespräch!

Ein Satz zum Schluss:

Ich habe auch mit Heidrun gesprochen, um ihre Perspektive kennen zu lernen. Ihr war es wichtig zu sagen, dass das Modell „Sparen, bis der Hausmann kommt“ zunächst nur Jörns Idee und Ziel war. Und dass es jetzt trotzdem gut so ist.

Warum ich es HASSE, nicht systemrelevant zu sein

Teil 1: Am Ende vom Verständnis

Manchmal kann eine winzige Fingerbewegung den ganzen Tag versauen. So ging es mir gestern, als ich mit einem fahrlässigen Klick früh morgens meine Mails checkte. „Der Betreuungsplatz ihres Kindes“ ist ein Betreff, der jeder Mutter in Corona-Zeiten das Blut in den Adern gefrieren lässt. Zumindest wenn es ihr Mitte Januar gelungen ist, einen der heißbegehrten Plätze in der Notgruppe zu ergattern. Meine Vorschultochter, nennen wir sie Milou, darf täglich bis 14.00 Uhr die Kita besuchen. Korrektur: Durfte.

In der Mail erklärte mir die Kita-Leitung, dass sie aufgrund von Neuanmeldungen die Notgruppe umstellen müsse. Für mein Kind sei leider kein Platz mehr; sie hoffe auf mein Verständnis.

Leider vergebens. Mein Verständnis ist vorübergehend außer Betrieb. Es wurde in den letzten Monaten abgetragen, fadenscheinig wie die dringend zu ersetzenden Leggins meiner Töchter. Ich, die noch vor weniger als einem Jahr „Wir schaffen das“-Parolen ausgab und mit den Kindern Regenbogen-Bilder ins Fenster hing. Ich habe kein Verständnis mehr.

Die Pandemie verändert uns. Gut so!

Etwas hat sich verändert und das verunsichert mich. Vor meinem inneren Auge sehe ich mich schon eine Reichsbürger-Fahne wedeln, mit einem Zitronennetz als Mundschutz. Was ist da gekippt?

Ich habe riesige Angst, zu kurz zu kommen. Ich bin so erschöpft. Das Baby zahnt, ich schlafe wenig, mein Mann und ich treffen uns nur kurz zur Übergabe von Kindern, Aufträgen oder Mahlzeiten. Ich fand, ein kleiner Kitaplatz für wenigstens eins meiner Kinder sei… mein Recht als dreifache freiberufliche Mutter. Eine kleine Unterstützung. Ein Gesehen-werden. Stattdessen höre ich regelmäßig: Du arbeitest ja nicht. Jetzt hat ein anderes Kind den Platz.

„Mit drei kleinen Kindern können Sie doch eh‘ nicht arbeiten“

Gekränkt rufe ich die Kita-Leiterin an. Sie hört meinen Namen und weiß, was jetzt kommt. Wie viele solcher Gespräche hat sie in dieser Woche geführt? Es tut ihr leid und es tut mir leid, sie in diese Situation zu bringen. Aber die Wut ist größer. Warum ausgerechnet wir, will ich wissen. „Ich dachte, sie haben ja drei kleine Kinder und kommen da eh nicht zum Arbeiten. Da macht doch ein Kind mehr oder weniger keinen Unterschied, oder?“. In meinem Kopf klickt es leise. Danke für so viel Ehrlichkeit. In der Pandemie gibt es Menschen, für die das Leben relativ normal weitergeht. Und es gibt Mütter. Menschen, die “ja eh nicht arbeiten”. Von ihnen wird erwartet, dass sie weiterfunktionieren. Und vor allem: Verständnis haben.

In der Pandemie gibt es Menschen, für die das Leben relativ normal weitergeht. Und es gibt Mütter.

Der Gedanke ist verlockend: Wenn Mütter einen Großteil der Care-Arbeit ohnehin machen, dann ist ein bisschen mehr davon doch sicherlich kein Problem? Doch, es ist ein Problem. Denn berufstätige Mütter waren in Deutschland schon vor der Pandemie hart an der Grenze. Hier geht es um Chancen, um Polarisierung und um Gerechtigkeit.

Das traditionelle Rollenmodell winkt fröhlich

Warum ist so klar, dass ich die beruflichen Einbußen hinnehme? Na klar, weil mein Mann ja die Familie ernährt. Weil ich als Frau von Natur aus dafür geschaffen bin, Kinder zu versorgen. Weil mein Mann den Dreck im Bad nicht sehen kann (nicht sein Talent) und leider auch nur Tiefkühl-Fritten kochen kann. Weil das schon immer so war, also bewährt ist.

Niemand sagt es. Aber alle scheinen es anzunehmen. Es war wohl immer da, das gute alte Rollenmodell, und hat auf seine Chance für ein Comeback gewartet. Jetzt ist sie hier: Rund 70 Prozent der Frauen geben an, wieder den Großteil der Familienarbeit zu leisten.[1] Ich will hier gar nicht die Männer an den Pranger stellen. Auch in mir hat dieses Denken geschlummert, bis es im Lockdown mit neuem Leben gefüllt wurde. Wie ein Zombie steigt die Na-gut-dann-eben-Hausfrau aus dem Modell-Friedhof auf.

Das ist riskant. Für Familien, für Unternehmen, für unsere Gesellschaft. Es ist gefährlich, weil es vielen Frauen mit dieser Vielfach-Belastung (in Kombination mit null Wertschätzung) miserabel geht. Die repräsentative Umfrage der Bertelsmann-Stiftung hinterlegt diesen Eindruck mit Zahlen: 49% der befragten Frauen fühlen sich durch die Doppelbelastung von Familie und Job an ihre körperlichen und psychischen Grenzen gebracht.[2]

Eine Frau mit Schürze putzt Fenster

Gefährlich auch für mich? Abends sitzen mein Mann und ich zusammen. Ich heule. Viel zu wenig und zu spät haben wir darüber gesprochen, wie wir die Familienarbeit aufteilen wollen. Wie mein beruflicher Wiedereinstieg nach der Baby-Zeit auch unter Corona-Umständen gelingen kann. Darüber, was unsere Familie braucht und will. Und so haben wir uns erstmal in ein für uns ziemlich suboptimales Rollenmodell spülen lassen.

Ich wünsche mir, dass Familien sich neu die Karten legen und miteinander prüfen: Was geht für uns?

Mein Mann nimmt ab jetzt pro Woche zwei Kinderkrankentage. Ich darf arbeiten. Und bloggen. Das wird jetzt nicht die ganze Gesellschaft verändern, aber ich merke, dass es wichtig ist, zu kommentieren, was hier gerade passiert. Corona verändert so vieles in unserer Gesellschaft; Strukturen bröckeln, Männer wie Frauen gehen gezwungenermaßen ganz neue Wege. Ich wünsche mir, dass Familien sich neu die Karten legen und miteinander prüfen: Was geht für uns? Womit geht es uns gut? Wie wollen wir arbeiten? Wie das Familienleben gestalten?

Also Schluss mit dem Verständnis! Denn genau darin liegt die Chance, hier jetzt etwas zum Besseren zu verändern.


[1] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/rollen-und-aufgabenverteilung-bei-frauen-und-maennern-in-corona-zeiten

[2] Ebd.