Der Router hing! Arno Tiedemann hatte eine Nachtschicht eingelegt und, als Helene endlich ins Bett gegangen war, den Keller aufgeräumt. Der Container war halb voll, Arnos Laune blendend.

Heute musste er mit den Konfis reden. Das Stück, das sie ausgesucht hatten, erwies sich als Tanzchoreografie für Dreijährige.

Er arbeitete noch einige Punkte seiner To Do-Liste ab, installierte eine Steuerungs-App und testete die Internetgeschwindigkeit. Dann wandte er seine Gedanken dem Krippenspiel zu. Er verabscheute das Projekt, aber noch mehr hasste er es, unvorbereitet zu sein. Heute musste er mit den Konfis reden. Das Stück, das sie ausgesucht hatten, erwies sich als Tanzchoreografie für Dreijährige. Die Darsteller hopsten, als Schafe verkleidet, um die Krippe und sangen dazu ein Lied mit dem Titel „Mah mah, Jesus ist da!“. Hirten tauchten in dieser Fassung gar nicht auf. Da mussten also noch ein paar Dinge umgeschrieben werden. Seufzend erstellte Arno eine neue To Do Liste.

Um 16.00 Uhr betrat Tiedemann die Grotte unter dem Kirchsaal. Er blieb abrupt vor einem Berg stehen. Die Konfis schauten ihn erwartungsvoll an. „Was ist…?“ – „Kostüme!“ strahlte ein dunkelhaariger Junge mit fettigen Haaren und Akademikerbrille „Das hätten wir erledigt!“. Ein meterhohes Konvolut aus Plastiksäcken, losen Schuhen, gebündelter Bettwäsche und Pfandflaschen türmte sich auf dem staubigen Boden des Gemeindesaals. „Woher habt ihr das?“ Die Jungen warfen sich einen Blick zu. Auch sie sahen müde aus, bemerkte Arno. „Das wollen Sie nicht wissen,“ meinte schließlich der Zahnspangenträger wohlwollend.

„Doch.“

Der Brillenträger druckste. Offensichtlich war dies seine Idee gewesen. „Gegenüber von unserer Schule steht so ein Sammelcontainer. Für Altkleider. Das funktioniert astrein als Verkleidung!“ „Ihr habt den Container aufgebrochen? Das ist Diebstahl“. „Quatsch. Die Leute wollen die Sachen nicht mehr!“ verteidigte sich der Brillenträger. „Außerdem,“ unterstützte die Skatermütze, „wird das Zeug zu 80 Prozent nach Afrika geschickt und landet im Meer und dann ersticken Delfine daran!“ „Trotzdem. Bringt das bitte zurück.“

Herr Tiedemann hob einen Sack auf und drückte ihn dem Zahnspangenträger in die Hand. Durch das hellblaue Plastik erahnte er einen Bettbezug mit Kükenmuster. Er nahm den Sack wieder an sich, riss ihn mechanisch auf. Eine Indianer-Verkleidung in Hellbraun, mit bunten Filz-Fransen an Armen und Beinen, fiel ihm entgegen. Die Konfirmanden warten. Arno stand ganz still. „Das kann einfach nicht sein.“ Alles war wieder da.


Es war eine Nacht Ende Dezember gewesen. Kalter Nieselregen, der schmierig auf den Straßen überfror. Das Zeug musste weg. Arno war von Zimmer zu Zimmer gehetzt, hatte Müllsäcke gefüllt, Schränke ausgeräumt. Er schwitzte, es musste jetzt sein. Alles weg. Helene schlief, endlich.

Arno warf die Säcke in den Toyota. Vorne an der Ecke wurde der alte Kindergarten abgerissen. Asbest. Die Container für giftigen Bauschutt waren genau das, was Arno brauchte. Er ließ den Motor laufen, denn er wollte Helene nicht länger allein lassen, als unbedingt nötig. Im gelblichen Licht der Straßenlampe schleuderte Arno einen Beutel nach dem anderen in den Schlund des Containers. Giftmüll. Es war ein glanz- und tränenloser Abschied gewesen, in dieser Nacht.

Die Container für giftigen Bauschutt waren genau das, was Arno brauchte.

Arno Tiedemann knallte den Kofferraumdeckel zu und raste zurück. Um ein Haar hätte er einen Obdachlosen gestreift, der die Abfalleimer durchsuchte. Er hatte sich nicht umgedreht. Bis jetzt.

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