Im Saal waren zehn Tische aufgestellt, je mit zwei Stühlen auf gegenüberliegenden Seiten. Auf jedem Tisch stand ein sehr kleiner Weihnachtsstern mit Glitzer darauf. „Wo sind die Pistolen?“ murmelte Arno. „Pistolen?“ Helene schaute ihren Mann erstaunt an. „Na, mit denen wir uns duellieren können.“ Zu Arnos Überraschung begann Helene zu lachen.

Die Tür des Saals öffnete sich und die Pastorin kam zusammen mit einem eisigen Luftzug hereingeweht. „Ich begrüße euch, meine Lieben! Herzlich Willkommen zu eurem Einstieg in die Gewaltfreie Kommunikation! Des wird super!!” „Wo ist denn der Referent?“ flüsterte Arno. Helene stand auf. „Wo ist der Referent?“, fragte sie laut. Astrid zwinkerte. „Hier!“ Sie zeigte mit beiden Daumen auf sich. „Ich erläutere jetzt die vier Schritte, dann dürft ihr mit eurem Partner üben!“ Sie zog ein Flipchart heran und las vor: GIRAFFENSPRACHE.

  1. Beobachten, ohne zu werten
  2. Eigene Gefühle beschreiben (Was macht das mit dir?)
  3. Bedürfnis äußern („Ich brauche…“)
  4. Bitte formulieren (Echte Bitte: Dein Gegenüber kann Ja oder Nein sagen!)

„Arno, magst du mal an einem konkreten Beispiel aus eurem Alltag mit der Helene in Giraffensprache sprechen?“. Sie baute sich bedrohlich nah vor ihm auf. „Ich? Nein.“ „Super, dass du dich traust!“. Arno schwitzte. Er wollte keinen Fehler machen. „Ähm.“ – „Nee, fang‘ bitte mit ‚Liebe Helene‘ an. Nochmal von vorn.“

„Liebe Helene.“ – „Super!!“ Arno wollte nichts weniger, als eine konkrete Situation aus seinem Alltag öffentlich mit Helene besprechen. Egal in welcher Sprache. Fieberhaft suchte er nach einem unkritischen Thema. „Liebe Helene. Letzte Woche hast du eine Gardinenstange in unserem Flur… angebracht. Das macht mich… erstaunt. Ich brauche… diese Gardinenstange nicht. Bitte… vermeide solche Situationen künftig.“ Erleichtert lehnte sich Arno zurück. Einige Teilnehmer lachten, Hildegard Lükers machte sich Notizen. Helene war knallrot angelaufen.

Erleichtert lehnte sich Arno zurück. Einige Teilnehmer lachten, Hildegard Lükers machte sich Notizen. Helene war knallrot angelaufen.

Bevor Astrid antworten konnte, zischte sie Arno an. „Du brauchst diese Gardinenstange nicht?! Du brauchst so Einiges nicht, oder? Wenn es nach dir ginge, würde ich mitsamt des ganzen Hauses verschwinden, gib‘ es doch zu!“ Das hatte Arno nicht kommen sehen. Er holte Luft, aber Helene war schneller. „Aber zum Glück bist du ja ein Experte, wenn es darum geht, ungeliebte Familienmitglieder loszuwerden!“ „Helene, das ist unfair.“ „Unfair!?“ brüllte Helene. „Unfair ist es, seinen eigenen Sohn aus dem Haus zu werfen, nur weil er einen kleinen Fehler gemacht hat!“

Astrid mischte sich ein. „Helene, also das würden wir jetzt Wolfssprache nennen, vielleicht magst du…”

“DU hältst jetzt mal dein blödes Giraffenmaul, Astrid!…” Zu Arno gewandt fauchte Helene: „Loswerden wolltest du ihn, weil er nicht in dein kontrolliertes Leben passte! Ich war halbtot und du hast mir mein Kind weggenommen!“ „Ich…“. „Das verzeihe ich dir nie.“ Sie war wieder zum Zischen übergegangen. Der Raum war in gläserne Stille getaucht. „Ich weiß“, sagte Arno leise.


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